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Die Deutschen und Aktien haben eine schwierige Beziehung.

Favoriten waren immer die sicheren Zinsanlagen wie Bundesanleihen oder -schatzbriefe. Und wenn schon mal Aktien, dann waren es meist Dividendenaktien von Chemie- und Pharmaunternehmen oder Energieversogern – da bewegten sich die Kurse nur wenig und es gab immer 4 – 5% Dividende.

Ende der 1990er schlug dies dann in einen völlig irrwitzigen Aktienrausch um (Neuer Markt). Nachdem 1996 die Telekom als „Volksaktie“ breit vermarktet wurde, kauften die Leute plötzlich jeden Mist (und das ist wörtlich gemeint) – Hauptsache, die Story klang gut. Natürlich folgte der krachende Einbruch mit dem Ergebnis, dass Aktien ab sofort wieder Teufelszeug waren.

Aber wie riskant sind Aktienanlagen nun wirklich?

Lässt man die Hysterie und Euphorie beiseite, bleibt ein völlig unspektakuläres Bild: Aktien sind einfach Beteiligungen an einem Wirtschaftsunternehmen. Geht es dem Unternehmen gut, läuft die Aktie. Wenn nicht, geht´s bergab. Wenn Sie also die richtige Aktie kaufen, gibt es keine Probleme. 🙂

Das Problem besteht also lediglich darin, die richtige Aktie auszusuchen. Ach so – und natürlich rechtzeitig wieder auszusteigen, wenn sich daran etwas ändert!

Aber im Ernst, die Risiken der Aktienanlage lassen sich systematisch erfassen, beschreiben und für die Mehrzahl gibt es auch Lösungen. Aber sehen wir uns zunächst die Risiken an:

Qualitäts- oder Auswahlrisiko

Das kann man gerade bilderbuchartig an Wirecard sehen. Experten lagen hier jahrelang im intensiven Streit darüber, ob Wirecard eines der nächsten bedeutenden Tech-Unternehmen ist oder ein Haufen Betrüger mit gefälschten Bilanzen.

Die von vielen angefeindeten Shortseller (Investoren, die auf stark fallende Aktienkurse setzen) – wie Marc Cohodes oder Fraser Perring – waren schon frühzeitig überzeugt, dass Wirecard ein Investorenmärchen war und auch die Financial Times schrieb schon 2018 von Betrug bei Wirecard. (Diese Zeitschrift gibt es übrigens bereits seit 1888!)

Auf der anderen Seite testierte einer der weltweit größten Wirtschaftsprüfer E&Y jahrelang die Bilanzen und die BaFin – immerhin die Finanzaufsicht Deutschlands – war mit Wirecard zufrieden. Sogar so zufrieden, dass sie Journalisten der FT anzeigte und zeitweise ein Verbot für das Shortselling mit Wirecard Aktien verhängte. Und sogar die Bundeskanzlerin machte Werbung für Wirecard bei einem Chinabesuch!

Auch ohne, dass wir wissen können oder auch nur bewerten wollen, wer in diesem Wirtschaftskrimi was richtig oder falsch gemacht hat (es dauert vermutlich noch Jahre, bis alles aufgeklärt ist) wird hier eines deutlich:

Niemand kann die Qualität eines Unternehmens abschließend sicher bewerten!

Qualitätsschwankungen (Volatilität)

Aber auch, wenn Sie sich eine Aktie mit hoher Qualität ausgesucht haben, schützt Sie das nicht gegen Verluste. Hier gibt es viele Beispiele einst großer Unternehmen, die es mit einigen Fehlentscheidungen  geschafft haben, in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden.

Vor allem Unternehmen, die lange Zeit sehr erfolgreich waren und eine marktbeherrschende Stellung erreicht hatten, sind oft akut gefährdet von Veränderungen überrollt zu werden, die sie oft sogar selbst erfunden haben.

Ein gutes Beispiel ist Kodak, geradezu das Synonym für Fotografie, denn dieses Unternehmen wurde von der Digitalfotografie vernichtet, die sie selbst erfunden hat! Warum? Weil sie von ihrem Geschäftsmodell – dem Verkauf und der Entwicklung von Filmen – mit bis zu 70% Rendite nicht ablassen konnten!

Hier gibt es übrigens ein gutes Video dazu.

Auch IBM ist ein gutes Beispiel, weil sie die Computerentwicklung im Privatbereich verschlafen haben und vor allem statt auf Software auf Hardware fokussiert blieben. Oder, ein Beispiel für die „Jüngeren“: Die Firma Nokia, die als Weltmarktführer bei Handys (bis zu 35% Marktanteil) die Smartphone-Entwicklung verpasste. 

Und wie das Ringen der Autokonzerne um die Mobilität der Zukunft ausgeht, bleibt abzuwarten!

Phoenix aus der Asche

Nicht immer führt eine verpasste Entwicklung zur Katastrophe. Einige Unternehmen schaffen es aus ihren Problemen die richtigen Schlüsse zu ziehen und noch stärker daraus hervorzugehen. Das beste Beispiel sind zwei der absoluten Tech-Giganten: Apple und Microsoft.

Bei diesen Unternehmen wäre es definitiv keine gute Idee gewesen, „rechtzeitig“ auszusteigen, also als der erste Abschwung einsetzte. Der zweite Aufschwung übertraf in beiden Fällen den ersten deutlich!

Sonderrisiken

Neben den wirtschaftlichen Risiken beim Unternehmen selbst gibt es natürlich weitere Risiken, die niemand vorhersehen kann.

Kriege, aber auch eine Pandemie wie Corona oder staatliche Eingriffe (Zerschlagung von Monopolisten, Verbot des Geschäftsbetriebs wie bei Atomenergie, Begrenzung des Gewinns wie bei der Mietobergrenze oder Einschränkung der Marketingmöglichkeiten wie bei der Zigarettenwerbung) kann auf die Entwicklung von Unternehmen oder ganzen Branchen genauso Einfluss haben, wie Veränderungen beim Verbraucherverhalten (vegetarische Ernährung, Nachhaltigkeitsforderung bei Produkten).

Dabei kann die jeweilige Entwicklung (z.B. Corona) für den einen ein Traum sein (Impfstoffhersteller, Versandhandel) und gleichzeitig für die anderen ein Alptraum (Gastronomie, Ladengeschäfte).

Also doch, die Risiken bei Aktien sind unkalkulierbar!

Klar, dass Sie zu diesem Ergebnis kommen, nachdem ich hier Risiko auf Risiko gehäuft habe. Das wäre aber genau die falsche Schlussfolgerung!

Schauen wir uns also an, was zu tun ist!  

Fassen wir noch einmal zusammen. Wir haben 3 wesentliche Risiken der Aktienanlage herausgearbeitet:

  • Auswahl der falschen Aktie (des falschen Unternehmens)
  • Schwankungen
  • Sonderrisiken

Schauen wir uns also an, was zu tun ist.

Mit Sonderrisiken leben

Sonderrisiken, wie oben beschrieben, sind extreme Veränderungen, die auch alle anderen Anlageformen treffen.

Szenarien mit Extrembetrachtungen werden gern als Argument gegen eine bestimmte Anlage gewählt, ohne danach zu fragen, wie gut es dann um alle anderen Anlagen bestellt wäre.

So sind Kriege natürlich nicht gut für Aktien. Aber eben auch nicht Immobilien – jedenfalls nicht, wenn man in dem Land wohnt, wo der Krieg stattfindet.

Und wenn man sein Erspartes unter dem Kopfkissen hatte, ist es nach einem Krieg genauso wenig wert, wie die Anleihen, die man vorher gekauft hat.

Ein gern gewähltes Beispiel ist auch: „Was passiert, wenn der gesamte Aktienmarkt dauerhaft total zusammenbricht?“.

Gegenfrage – Welche Anlage ist dann noch etwas wert?

Alle wären arbeitslos – die Unternehmen sind in diesem Szenario ja alle pleite – Banken und Versicherungen zahlen nichts mehr aus, da keiner mehr seine Kredite zahlen kann – einschließlich des Staates, der hat nämlich auch keine Steuereinnahmen mehr, die er sonst von Unternehmen und Arbeitern erhalten hat…

Um es kurz zu machen (und das meine ich vollkommen wertfrei!) – falls Sie sich gegen „Komet trifft Erde“, „Virus oder ein Sonnensturm vernichtet alle Daten und damit jede Wirtschaft und jedes Vermögen“ oder „Pest 4.0 rottet 3/4 der Weltbevölkerung aus“ Szenarien wappnen wollen, sind Sie bei jeder Form der Geldanlage falsch.

Vielleicht haben Sie ja sogar Recht mit Ihren Befürchtungen. Aber dann geht es darum, alles Geld dafür einzusetzen, autark zu werden bei Wohnung, Wasser, Energie und Nahrung, so wie es die Prepper tun. In so einem Fall hilft ihnen nicht mal Gold, denn wer tauscht knappe Nahrung gegen so etwas nutzloses?

Aber es bleiben ja noch 2 weitere Risiken, die konkret die Aktienanlage treffen:

So lösen Sie das Qualitäts- und Auswahlproblem

Schon unsere Großeltern kannten die Maxime: Nicht alle Eier in einen Korb, sonst sind alle kaputt, wenn man hinfällt! 

Bei Aktien ist es genauso einfach. Eine breite Streuung reduziert das Ausfallrisiko deutlich. Einfach gesagt – haben Sie 100 Aktien verschiedener Unternehmen mit je 1 € in Ihrem Portfolio und ein Unternehmen fällt aus, kostet Sie das gerade 1% Ihrer Anlage.

Zum Vergleich: Die Inflation kostet Sie jedes Jahr 1 – 2%, wenn Ihr Geld unverzinst auf Konten liegt. Und zwar definitiv!

Und es ist ziemlich einfach, seine Anlage breit zu streuen. Möglichkeit 1: Sie trauen sich die Auswahl selbst zu und kaufen mind. 20 – 30 Aktien verschiedener Unternehmern in Ihr Depot. Möglichkeit 2: Sie kaufen einen oder mehrere Aktienfonds, die bereits per gesetzlicher Vorgaben Ihre Anlage streuen müssen.

Möglichkeit 3: Sie kaufen sich sogenannte Indexfonds, die genau einen Index, also z.B. den DAX, nachbilden. Beim Index kann man sich vorher genau ansehen, welche Aktien dort enthalten sind, also z.B. beim DAX immer die 30 (mittlerweile 40) größten deutschen Unternehmen, und nach welchen Kriterien die Unternehmen ausgewählt werden.

Erfüllt ein Unternehmen die Voraussetzungen nicht mehr, wird es automatisch gegen ein anderes ausgetauscht (z.B. flog die Lufthansa aus dem DAX und die Deutsche Wohnen wurde aufgenommen, da diese eine höhere Marktkapitalisierung erreicht hatte).

So lösen Sie das Schwankungs-/Volatilitätsproblem

Und auch gegen das Schwankungsproblem gibt es ein relativ einfaches Mittel – Zeit.

Und auch, wenn es keine abschließende Garantie für die Zukunft ist – eine sehr lange Vergangenheit zeigt deutlich: Sobald Sie keinen zeitlichen Verkaufsdruck haben, können Ihnen auch massive Kursstürze nicht so viel anhaben.

Wenn Sie z.B. Anfang 2007 (also direkt vor der Finanzkrise) 100.000 € in den DAX investiert hätten, wären bei einem Verkauf 2009 -27.000 € weg gewesen. Hätten Sie hingegen bis 2011 warten können, wäre sogar ein kleines Plus von  +4.800 € herausgekommen.

Und das ist kein einmaliges Phänomen, das „Renditedreieck“ des Deutschen Aktieninstituts zeigt das an 50 Jahren DAX ziemlich gut.

dreie ck

Dabei zeigt die oberste Schicht, eine einjährige Anlage. Hier gab es teilweise herbe Verluste von bis zu -43%!  

Bei einer 5-jährigen Anlage (einfach rechts oben bei der 5 anfangen und der weißen Linie nach links unten folgen) war der schlimmste Verlust nur noch -9,4%. 

Das klingt zwar immer noch nicht schön, aber einmal zum Vergleich: die langjährige Durchschnittsinflation von 1,5% p.a. hätte Sie im gleichen Zeitraum -7,2% Kaufkraft gekostet!).

Bei 10-jährigen Anlagen liegt der maximale Verlust bei gerade -1,5% (und damit weiter unter dem Verlust durch Inflation von -14%!) und alle Anlagen von 12 Jahren und mehr weisen gar keine Verlustperioden mehr auf.

Übrigens: Selbst bei einjährigen Anlagen wurde in 37 Jahren eine positive Rendite erwirtschaftet und nur in 13 Jahren eine negative!

Fassen wir zusammen

Von den zwei Risiken, die tatsächlich nur die Aktienanlage und nicht alle Anlagen gleichermaßen betreffen, lässt sich das eine durch eine ausreichende Verteilung der Anlagesumme auf viele Aktien und das andere durch eine entsprechend lange Haltedauer des Investments weitgehend beherrschen.

Aktien sind damit sehr gut für die Anlage von Altersversorgungsvermögen geeignet, wenn Sie in eine entsprechende Liquditätsplanung eingebettet sind, die verhindert, dass sie zur Unzeit verkauft werden müssen.

Übrigens: Sogar noch besser ist es, wenn man Aktienanlagen in einem regelmäßigen Sparplan kauft, wenn man noch Zeit bis zur Rente hat.